Page 16 - Schönberg im Winter 2023
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Künstler
in der Probstei
Fortsetzung von Seite 14
Die Ausführung des „Literarischen Sextetts“ zeigt
die ganze Bandbreite Kai Lycks künstlerischen Schaffens.
Neben der Malerei bedient er sich verschiedenster Ma-
terialien wie Metalle, Holz, Beton und Zement, Papier,
Vlies und mehr, dazu kommen Gegenständen aus Alltag
und Technik. Die Literatur, um die es geht, sind Werke
von Sebastian Brant (sein „Narrenschiff“ ist 1494 er-
schienen und damit die älteste Schrift, auf die sich Kai
Lyck bezieht), Arthur Schnitzler, Rainer Maria Rilke, Klaus
Mann, Albert Camus und Samuel Beckett.
Es ist zu ahnen: Kai Lyck ist mit seiner Kunst politisch
– soziale Missstände treiben ihn an. Dennoch gingen
seine Werke in keine bestimmte politische Richtung,
sagt er, man dürfe sie aber durchaus „in einem sozio- Resonanz und Zufall
kulturellen Zusammenhang“ sehen. Mit dem Objekt
„Red Dot – Artists in Distress“ etwa thematisiere er
die schwierige Lage von Künstlerinnen und Künstlern Lutterbeker Musiker und Komponist
während der Corona-Krise wegen des Verbots von Jens Fischer im Porträt
Auftritten und Ausstellungen: „Rot war und ist das
Symbol für Kunst und Kultur in Not.“
Die Farbe Rot habe darüber hinaus noch eine ganz Der Komponist und Gitarrist Jens Fischer lebt und arbeitet in
andere, universelle Bedeutung für ihn: „Das Blut aller Lutterbek, am Nordrand der Probstei, mitten in der ländlichen
Menschen ist rot, ungeachtet ihrer Herkunft.“ Eine Provinz nahe der Ostsee. Hier komponiert er Filmmusiken. Und
Farbe der Gleichheit und Gleichwertigkeit. Was auch außerdem Musik für Menschen, die sich auch auf leise Töne ein-
den Wert aller Frauen umfasse. Mit den Skulpturen lassen wollen.
der Serie „Orange your City“ greift Kai Lyck diesen „Es sind kleine, feine, sehr individuelle Kombinationen aus Mu-
Gedanken auf und beschreibt die Situation von Frau- sik, Text und Sprache, die sowohl ich als auch meine Bühnenpart-
en, „die nur benachteiligt sind, weil sie Frauen sind; es nerinnen und -partner mit Ernsthaftigkeit und Leidenschaft ange-
geht um die Unterdrückung, die Unterwerfung, das hen“, skizziert Jens Fischer seine neueren Projekte. Sie sind genau
Aufgeben, etwas, das Frauen vielfach und in allen Regi- ausgearbeitet, bis ins kleinste klangliche Detail durchkomponiert
onen der Welt täglich erleben“. – „das ist etwas, was ich liebe“, sagt er.
Die Farbe Rot finde sich deshalb auch in seiner Si- Eines seiner jüngsten so entstandenen Werke heißt schlicht
gnatur wieder, einem „K“ in einem Kreis, wie mit gro- „Sinn“ und ist eine musikalische Lesung über Weisheit, Hoffnung,
bem Pinselstrich hastig an eine Wand geworfen, die Vertrauen und den Sinn des Lebens. Er spielt dieses Stück ge-
rote Farbe nach unten verlaufend. „Ich möchte Anstoß meinsam mit der Kieler Schauspielerin, Sängerin und Performance-
für einen zukunftsorientierten politischen Diskurs ge- künstlerin Viola Schnittger. Ihre Textrezitationen wechseln sich ab
ben, präsentiere aber keine Lösungen“, sagt Kai Lyck. mit Jens Fischers Gitarrenparts, denen er mit Loop-Samplern und
Zwar positioniere er sich, diskutiere „im Angesicht der Raumklang-Effekten eine verblüffende, weil gleichzeitig komplexe
Kunst aber nicht gern politisch“, räumt er ein, „weil und anmutig schwebende Vielschichtigkeit verleiht. Das berührt.
ich das Publikum nicht in seiner eigenen Positionierung „Für diese Art Musik geschätzt zu werden, ist lohnend und aller
bewerten will; ich möchte aber sehr wohl dazu anre- Präzision beim Komponieren wert“, findet Jens Fischer.
gen, sich offen für alle Argumente zu geben“. Auch Filmmusik brauche das „persönliche Moment“ des Kom-
ponisten, glaubt er: „Um kreativ zu sein, musst du den Film und die
Kai Lyck im Netz: kielkunst.com • Instagram: Geschichte wirklich verstehen und nicht nur das Genre bedienen.“
@kielkunst1000 • Pinterest: pin.it/gNJrJDZ Fortsetzung auf Seite 18
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