Page 52 - Schönberg im Winter 2018
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Weihnachtskuddelmuddel



            Eine Geschichte voller

            Weihnachtsvorbereitungen


              Es wurde kälter. Trudi zog ihren viel zu
            großen Schal enger, sodass er von ihrer
            Hüfte zweimal um ihren Körper geschlun-
            gen war und bis zur Nasenspitze ragte.
            Ihr Mann sagte immer, dass er es seltsam
            fand, wenn Menschen zu 50 Prozent aus
            Schal bestünden, allerdings war es an ihr in                                                         Foto: stock.adobe.com/ksfotodesign; Text: lrk
            Ordnung – es sei zwar ein Teppich, aber ein
            schöner Teppich.
              Es ging auf Weihnachten zu und wie
            jedes Jahr würde der spärlich gefallene
            Schnee wieder davonschmelzen, um im
            neuen Jahr die Straßen zu blockieren, ohne
            das Klischee der „weißen Weihnachten“
            bestätigt haben zu können. Trudi war sich   tes der Stadt. Eigentlich wollte sie dort gar   wieder ein bisschen auf und nach nur zwei
            generell nicht sicher, ob sie Weihnachten   nicht entlang, sie könnten einfach an der   weiteren Anrempelungen hatten die beiden
            mochte oder nicht. Glühwein war lecker und   Kreuzung vorbeigehen, noch zwei Straßen   sich den Weg zurück zur Straße erkämpft.
            Weihnachtsmärkte irgendwie schön, aber   weiter und dann wären sie endlich zu Hau-  Von dort kamen sie gut voran und
            gleichzeitig waren die Märkte oft überfüllt   se gewesen. Aber es fehlte halt doch noch   erreichten schnell ihre Wohnung. Sie streifte
            und der Wein dort meist ziemlich teuer.   dieses eine letzte Geschenk für ihre Nichte.   sich ihre nassen Stiefel ab, ließ Jacke und
            Früher hatte sie das alles sehr gemocht.   Die Kälte kroch langsam ihre Beine   Schal provisorisch zu Boden fallen und
            Das Gedränge, das Beisammensein, einfach   hinauf und ihre Füße schienen nur noch   kuschelte sich auf das Sofa. Ihr Mann
            die Wärme, die zwischen dem Dunst der   Klumpen zu sein, die sie nach und nach   hatte Tee gemacht, alle Geschenke waren
            eisigen Atem eindeutig zu spüren war.   weiter nach vorne schleppte. Ihr Mann ergriff   beisammen und der Nachtisch für das mor-
            Mittlerweile war Weihnachten in einem   ihre Hand, als wollte er ihr in dem lauten   gige Festessen war fertig im Kühlschrank. So
            Planungschaos untergegangen. Es gab viel   Gewirr aus Stimmen und abgenutzten Weih-  sollte Weihnachten sein, dachte sie, packte
            zu viele Verwandte und Freunde, mit denen   nachtsliedern leise zu verstehen geben, dass   eines der Plätzchen aus und schob es in
            man beisammen sein wollte, aber nur einen   es ihm leidtat, dass er sie noch überredet   den Mund, mit mehr Ruhe als Sturm.
            Heiligabend und zwei Feiertage, an welchen  hatte, am 23. Dezember einen Markt zu   Sie streifte sich ihre neuen Socken über
            mindestens einer irgendwie unzufrieden   besuchen. Sie blieb stehen, dreht sich um   und bewunderte die Geduld, die sie selbst
            blieb. An einem Tag hatten Trudi und ihr   und küsste ihn. Sie wollte nicht, dass er sich   niemals für das Unterfangen dieses orange-
            Mann im vergangenen Jahr drei Feste   unwohl fühlte, wo er doch die weihnachtliche   blau gestreiften Musters hätte aufbringen
            besucht und dennoch hatte sie es nicht   Vorfreude so genoss. Der Duft von gebrann-  können. Trudi mochte bunte Socken. Nur
            geschafft, ihre eigene Großmutter zu besu-  ten Mandeln stieg ihr in die Nase und hinter   sollte ihre Großmutter die gekauften Strick-
            chen. Zugegebenermaßen lebte diese auch   einem Stand, der mit selbst gestrickten So-  Socken lieber nicht zu sehen bekommen -
            etwas weiter weg, aber so richtig überzeugt   cken mit verschiedenen Mustern und Farben   allerdings war die ja ohnehin nicht da.
            von dieser Ausrede war sie selbst nicht.  zu locken versuchte, gelangten sie zu einem   Jetzt, da alles vorbereitet war, bemerkte
              Eine Brise kam auf und ließ die spitzen   älteren Herrn, der Holzspielzeug verkaufte.   Trudi, dass sich doch etwas von der altbe-
            Enden ihres Schals im Wind hin und her   Neben Schaukelpferden für Puppen und   kannten Vorfreude in ihr ausbreitete, welche
            springen. Sie ging weiter durch die grauen   Kreiseln aus verschiedenem Holz fand sie   sie in letzter Zeit so sehr vermisst hatte.
            Straßen, eine Hand umklammerte den Griff   eine kleine Kiste, die nur durch bestimmte   Ihr Mann setzte sich zu ihr aufs Sofa und
            einer Tasche voller Geschenke und selbst   Kniffe zu öffnen war.  Trudi nahm das Käst-  sie ließ sich in seine Arm sinken. Vielleicht,
            gekaufter Plätzchen, die andere war tief in   chen mit und kaufte noch schnell ein Paar   dachte sie, war Weihnachten auch einfach
            der Jackentasche ihres Mannes vergraben.   dicke Socken am Nachbarstand, bevor sie   ein wunderschöner Anlass, mit bunten,
            Nur noch über eine Ampel und sie erreich-  sich zum Abschluss noch zum Glühweinstand  warmen Socken Freunde und Verwandte zu
            ten den zweiten Teil des Weihnachtsmark-  zwängten. Der heiße Wein taute ihre Füße   besuchen.




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