Page 32 - Schönberg im Sommer 2024
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Fünf Generationen für feinen Zwirn




         Das Schönberger Modehaus Lindau feiert seinen 125. Geburtstag



                                                   se das eingebettet in die dama-  Lindau von den Nazis zum Kriegs-
                                                   lige Zeit sehen, denkt er: „Mit   dienst eingezogen wurde, zogen
                                                   der Industrialisierung Ende des   wieder  dunkle  Wolken über  dem
                                                   19. Jahrhunderts gab es bahn-  „Kaufhaus Lindau“ auf. Und wie-
                                                   brechende Entwicklungen, die   der übernahmen starke Lindau-
                                                   auch in der ländlichen Probstei   Frauen  das  Ruder,  nämlich  als
                                                   Nachfrage weckten; außerdem    Doppelspitze Rudolf Hugos Frau
                                                   erlebte die Wirtschaft einen tief-  Rosemarie und erneut seine Mut-
                                                   greifenden Wandel.“ Die kom-   ter Helene. „Nach allem, was ich
                                                   menden  Zeiten seien  für  das   weiß,  haben meine  Großmutter
                                                   Familienunternehmen trotz aller   und Urgroßmutter das super ge-
                                                   guten Vorzeichen nicht leicht ge-  macht“, sagt Knut Lindau. Im
                                                   wesen, verrät Knut Lindau. „Mein   Geschäft  habe  es  während  der
                                                   Urgroßvater verstarb schon 1912   Kriegsjahre  alles  das  gegeben,
                                                   mit noch nicht einmal 40 Jahren   was noch zu haben und begehrt
                                                   an einer Rippenfellentzündung;   war, etwa Stoffe, Wolle und Kurz-
                                                   er hatte 1902 die Schönberge-  waren.
          Knut (von links), Doris und Lars Lindau
                                                   rin Helene Mundt geheiratet und   Rudolf Hugo Lindau kam erst
                                                   die kümmerte sich nun nicht nur   1949 aus der Kriegsgefangen-
                    Das Schönberger Modefachge-    allein um ihre vier Mädchen und   schaft  zurück,  doch  sein  Wille,
                    schäft „Kaufhaus Lindau“ ist   zwei Jungs, sondern führte auch   das Geschäft weiterzuentwi-
                    eines  der  ältesten und traditi-  das Geschäft weiter.“ Glückli-  ckeln, war  ungebrochen.  „Er
                    onsreichsten Unternehmen im    cherweise habe sie dabei Hilfe   begann schnell mit Umbauten
                    Ostseebad. Nun feiert das durch-  von ihrem Bruder Hugo Mundt   und der Vergrößerung des Ge-
                    gängig und in fünfter Generation   gehabt, aber „wenn man es ge-  schäfts“, weiß Knut Lindau über
                    familiengeführte Geschäft sein   nau nimmt, haben starke Frauen   seinen  Großvater,  „und  mit  sei-
                    125. Jubiläum.                 in  unserer  Familie  immer  eine   nem alten Ford ‚Rheinland‛ ist er
                    Im Grunde hat Schönberg das    große Rolle gespielt – bis heute“,   seinerzeit jeden Tag  nach Ham-
                    Modehaus Lindau einem Zufall   sagt Knut Lindau                            burg   gefahren,
                    zu verdanken: Als Geschäfts-   anerkennend.                                um neue Ware
                    gründer Paul Hugo Lindau an    1935 schließlich                            zu holen.“ Damit
                    einem Sonntag im Sommer 1898   kam einer der                               ist er gleichsam
                    mit seinem Vetter, dem Preetzer   Söhne,  Rudolf                           sofort auf den an-
                    Textilhändler August Voss per   Hugo,  aus  Ham-                           rollenden Zug der
                    Pferdekutsche durch Schönberg   burg zurück nach                           Wirtschaftswun-
                    fuhr, entdeckte er ein freies, zen-  Schönberg.  Er                        derjahre  aufge-
                    tral im Ort gelegenes Grundstück.   hatte eine Lehre                       sprungen. Und der
                    Es hat ihm so gut gefallen, dass   in der Großstadt                        Nachholbedarf
                    Lindau es sofort kaufte und be-  gemacht und war                           der Menschen an
                    schloss, dort ein Textilgeschäft   Inhaber  einer                          Textilien war groß:
                    aufzubauen. Noch nicht einmal   Steppdeckenfab-  Paul Hugo Lindau          „Oft standen die
                    ein Jahr später, am 1. April 1899,   rik geworden. Er                      Menschen schon
                    eröffnete er auch schon. Der be-  wusste also, wie der geschäft-  um 8 Uhr morgens Schlange für
                    eindruckende  Name:  „Hugo  Lin-  liche Hase lief, als er auf Bitten   die neuen Waren, die gar nicht so
                    dau: Manufakturwaren, Damen-,   seiner Mutter das Schönberger   selten zwei Stunden später aus-
                    Herren- u. Kinderkonfektion, Be-  Geschäft übernahm. Klar ver-  verkauft waren.“
                    rufsbekleidung, Gardinen, Tep-  kaufte er auch hier die Hambur-  Klar war auch, dass die Men-
                    piche, Betten, Hüte u.s.w.“    ger Steppdecken. Aber Schwer-  schen bei wachsendem Wohl-
                    „Das war ein riesiges Sortiment“,   punkt des Geschäfts wurden   stand  ein  ganz  neues  Modebe-
                    staunt Knut Lindau. Er ist der   mehr und mehr die Textilien.  wusstsein bekommen würden
                    heutige Geschäftsinhaber und   Als 1939  der frisch gebackene   – eine Entwicklung, auf die Ru-
                    Urenkel des Gründers. Man müs-  Geschäftsinhaber  Rudolf  Hugo   dolf Hugo klug und zum Vorteil


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